Die Untersuchung zeigt deutlich, dass ein Studium der Betriebswirtschaftslehre insgesamt tiefergehende und breitere Qualifikationen vermittelt als eine kaufmännische Ausbildung im dualen System.
Sie macht aber auch die Schnittstellen und Überschneidungen sehr gut deutlich, an denen die Organisation einer „Bildungskette“ ansetzen könnte und aus Sicht der Wirtschaft auch sollte. Für die berufsbildenden Schulen würde mit dieser Option, ein Studium quasi schon während der Ausbildung zu beginnen, eine Attraktivitätssteigerung zu erwarten sein. Für ländliche Räume würde dies ggf. Abwanderung von Fachkräften oder potenziellen Fachkräften verhindern. Hochschulen für angewandte Wissenschaften könnten mit digitalen Lernszenarien ihre barrierearme Zugänglichkeit schärfen, Studierende mit hohem Praxisbezug und intrinsischer Motivation gewinnen und ihre enge Verbindung mit der regionalen Wirtschaft ausbauen.
Auf Basis der o. g. Untersuchungsergebnisse bietet es sich an, ein kooperatives Curriculum für einen Übergang zwischen kaufmännischer Berufsausbildung und berufsbegleitendem Studium der BWL zu entwickeln. Dieses Curriculum sollte digitale Lernszenarien nutzen und mit Präsenzphasen kombinieren. Die Teilnahme am Curriculum ist Voraussetzung für die Zulassung zu einer modulabschließenden Prüfung.
Baustein 1 dieses Curriculums ist ein Modul der Sozialisation in ein Studium der Betriebswirtschaftslehre. Es umfasst nicht die fachlichen Inhalte der 4 o. g. Module, sondern 1. die Vermittlung der Unterschiede zwischen kaufmännischer Ausbildung und wissenschaftlichem Studium (zentraler Bestandteile einer Präsenzphase), 2. Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens (auf Basis digitaler Lehrmaterialien) und 3. betriebs- und volkswirtschaftlicher Theoriebildungen (digital und in Präsenz).
Baustein 2 basiert auf der Vermittlung der vertiefenden Kenntnisse im Modul Kosten- und Erlösrechnung.
Baustein 3 vermittelt die vertieften und zu ergänzenden Kenntnisse im Modul „Marketing und empirische Sozialforschung“.
Die Bereitstellung der digitalen Lehrmaterialien sollte in arbeitsteiliger Kooperation der Fachkräfte an den berufsbildenden Schulen unter Federführung der zuständigen Modulbeauftragten / Studiengangsleitungen der HAW erfolgen, die vorbereitende Lehre selbst läge in Zuständigkeit der Hochschule.
Formalrechtlich bleibt die Teilhabe an den Prüfungen zu regeln: Dabei obliegt es der Hochschule, über die Gasthörerschaft (gegen Gebühr, Zulassung zu Prüfungen auf Antrag möglich; https://www.hawk.de/de/media/2072) hinaus auf die Ordnung über die Einschreibung von Frühstudierenden zurückzugreifen (setzt einvernehmliche Beurteilung der überdurchschnittlichen Begabung von Schule und Auswahlkommission der Hochschule voraus, erbrachte Studien- und Prüfungsleistungen können in fachlich einschlägigen Studiengängen anerkannt werden; https://www.hawk.de/de/media/2081) oder im Rahmen eines Kooperationsvertrags eine eigene Ordnung zu erlassen bzw. die Anwendung der o. g. Ordnungen zu regeln. Ziel ist dabei die Zulassung zu einer modulabschließenden Prüfung.
Mit dieser Form der kooperativen Anerkennung wäre es Auszubildenden der o. g. Berufe möglich, Module in maximalem Umfang von 1 Semester berufsbegleitenden Studiums bereits während der Ausbildung abzuschließen und gleichzeitig eine profunde Einschätzung zu Studierfähigkeit und Studienmotivation zu erlangen.
Die Etablierung eines solchen Modells sollte – bei vorliegender Motivation - im Rahmen einer Kooperation zwischen interessierten Hochschulen des VFH-Verbundes, berufsbildenden Schulen und IHK in einem evaluierten Modellprojekt entwickelt werden.
Prüfauftrag des Ministeriums im Rahmen des Projekts war auch die Einschätzung, inwiefern die Themen Gründung und Betriebsnachfolge sowie Innovationskompetenz im Rahmen einer Kooperation Hochschule/berufsbildende Schule zu vermitteln sein könnten. Hier konnten keine im o. g. Sinne relevanten bestehenden Überschneidungen der Kompetenzvermittlung gefunden werden, die eine Kooperation im hier erwähnten Sinne ermöglichen. Eine solche Qualifizierung müsste über eine Zusatzqualifikation erfolgen.
Industrie- und Handelskammer