12 Digitale Lehre macht niemand alleine: Handlungsempfehlung zur Organisation der Erstellung, Aktualisierung und des Austauschs digitalen Lehrmaterials in einem Verbund

Alexandra Engel

Das Nadelöhr der digitalen Lehre in BL-Formaten ist derzeit das fehlende Lehr- und Lernmaterial. Einzelne Initiativen erarbeiten Materialien für einzelne Themen, eine systematische Aufbereitung curricular verankerter dauerhaft integrierter Lehrmaterialien fehlt und muss möglichst zeitnah flächendeckend erarbeitet werden, um den Nutzen digitaler Lernszenarien in Wert setzen zu können.

Die Erarbeitung dieser Lehrmaterialien ist eine fachliche, zeitliche, (medien)didaktische und technische Kooperationsarbeit. Voraussetzung für eine nachhaltige Nutzung und Übertragung in andere Fächer und Schulen ist die Klärung von Verfahren der Qualitätssicherung, Urheberrecht, Datenschutz und die Herstellung von Rechtssicherheit.

Hier muss eine Struktur geschaffen werden, die von Beginn an professionalisiert und zugleich schnell und flexibel Unterrichtsmaterialien digital entwickelt, welche diesen Anforderungen standhalten.

Das Modell des Verbundes virtueller Fachhochschulen hält diese Struktur seit mehr als 20 Jahren bereit. Initiiert über eine Modellförderung des Bundes wurde ein professionalisierter und qualitätssichernder Handlungsablauf der Erstellung digitaler Lehrmaterialien entwickelt, der u. E. auch für die berufsbildenden Schulen angewandt werden könnte und sollte.

Ein solcher Verbund zielt auf die wechselseitige Zurverfügungstellung der Lehrmaterialien sowie die arbeitsteilige Entwicklung der selbigen.

Empfohlen wird ein mehrstufiges Verfahren mit Qualitätssicherung durch ein mit Fachlehrerinnen und Fachlehrern besetztes Fachgremium innerhalb des Verbundes analog zu den im Schulsystem bestehenden fachlichen Beratungssystemen. Neu ist, dass das Schreiben des Unterrichtsmaterials an Autoren vergeben wird, ebenso wie die mediendidaktische Beratung und die technische Umsetzung.

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Die bisherigen Ausführungen lassen bereits erahnen, dass eine Lehrperson alleine nicht in der Lage ist, dauerhaft und professionell die eigenen Lehrmaterialien zu entwickeln. Sie müsste sich aufwändig fortbilden, kann nicht auf einen einheitlichen Content zurückgreifen, ist mit Pflege und Wartung der Softwarelizenzen überfordert. Methodisch-didaktische Kenntnisse müssen mühsam erarbeitet werden, medientechnisch und mediengestalterisch sind schnell zeitliche und fachliche Grenzen erreicht.

Selbst ein Lehrerteam einer Schule kann diese Lücken nicht aus eigenen Ressourcen füllen, da die Anforderungen weiterhin die Kernkompetenzen übersteigen. Eine Freistellung oder Einstellung eines entsprechenden unterstützenden Teams kann für Basis-Leistungen und Startphase unterstützen, würde jedoch hohe Kosten verursachen, ohne eine Spezialisierung in die Tiefe zu ermöglichen.

Wir empfehlen daher ein kooperatives Verbundmodell, in dem sich die Verbundpartner Aufgaben der Bereitstellung von Inhalts und Content teilen.

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Damit kann ein größeres Team beschäftigt werden, das sich auf Kernkompetenzen spezialisieren kann. Ein einheitliches Design und professionelles Erscheinungsbild, höhere methodisch-didaktische und medientechnische Standards stärken den zu erzielenden Nutzen. Die Wartung und Pflege des Contents wird kostengünstiger und nachhaltiger.

Die hohe Bedeutung und politische Notwendigkeit einer verbundorganisierten Erstellung von Lehrmaterial wird deutlich, wenn man sich die möglichen Alternativen vor Augen führt: Ein zukünftiger digitaler Content ist mehr als ein heutiges Buch: die Frage der Nutzungsrechte und Lizensierungsmodelle solcher Contents entscheidet perspektivisch über den Zugang zu Wissen. Digitale Geschäftsmodelle ebenso wie digitale Hardwaresysteme schaffen eine privatwirtschaftlich bestimmte Infrastruktur, die stark in die Daseinsvorsorge und das öffentliche Bildungssystem eingreift. Lizenzen werden ein starker Kosten- und Abhängigkeitsfaktor. Die Einflussnahme und freie Gestaltung dieser Systeme, beispielsweise durch die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten würde sich bei auf „Masse“ ausgerichteten Systemen minimieren. Letztlich erfordert die Entscheidung für eine Digitalisierungsstrategie in der beruflichen Bildung klare politische Entscheidungen zu nachhaltigem Zugang zu sich schnell verändernden Wissensbeständen.

Zusammen­fassung

Zusammengefasst:

  • Wir empfehlen die Gründung eines (länderübergreifenden) „Verbundes für Entwicklung und Austausch digitalen Lehrmaterials in der beruflichen Bildung“:
    • Kooperationsorganisation zur Entwicklung und Qualitätssicherung digitaler Lernszenarien.
    • Schaffung eines unabhängigen, zugangssicheren Wissensvorrats durch Austausch.

Dieses Verbundmodell wurde im Rahmen einer Tagung zur Organisation digitaler Lehre am 1./2. März 2018 in Holzminden mit 120 Teilnehmenden verifiziert. Befragt nach den Rahmenbedingungen für digitale Lehre steht der Wunsch nach Vernetzung, Austausch und Koordination an erster Stelle. Diese sollen gepaart sein mit organisatorischer Unterstützung und fachlichem Input. Die teilnehmenden Personen äußern Bedenken vor zu hoher Arbeitsbelastung und wünschen sich zeitliche Ressourcen ebenso wie Qualifizierung der Lehrkräfte. Dieses Engagement bedarf klarer Ziele von Schulträgern und ausreichender Unterstützung des Kultusministeriums sowie hoher Verlässlichkeit.

Natürlich braucht ein solcher Verbund ein professionelles Management, insgesamt kann neben der ressourcenschonenden Investition mit einem solchen System eine angemessene Modernisierungsgeschwindigkeit erzielt werden.

Der Verbund virtueller Fachhochschulen hatte als Modellprojekt des Bundes ein Entwicklungsbudget vom mehr als 20 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Dimension lässt in etwa erahnen, über welche Entwicklungsdimensionen in der beruflichen Bildung gesprochen werden muss. Angesichts der Vielzahl der Standorte beruflicher Bildung und der bundesweit recht einheitlichen Ausbildungsstandards wird aber ebenso gut deutlich, wie die Übertragbarkeit auch den Nutzen der erstellten Lernmaterialien vervielfältigt.

Wir schlagen in diesem Kontext zunächst vor, die digital zu entwickelnden Lernfelder zur Fokussierung der Entwicklungsbudgets nach Kriterien zu priorisieren:

  1. Sicherung flächendeckender Ausbildungsvielfalt.
  2. Senken der Mobilitätsbarrieren.
  3. Verfügbarkeit der Lehrpersonen.
  4. Übertragbarkeitsnutzen.

Realistisch und ressourcenschonend ist neben der im Bildungsbereich gesetzlich verankerten Organisation auf Ebene des Bundeslandes eine länderübergreifende Verbundorganisation, vor allem gespeist aus den Bundesländern mit hohen Anteilen ländlicher Räume.

Zusammen­fassung

Beauftragung einer (länderübergreifenden) Verbundkoordination und Materialentwicklung:

  • Bereitstellung einer einheitlichen Lernraumplattform und Anwenderservice / Einrichtung,
  • Bereitstellung der Autorensoftware Loop; Koordination, Schulung der Fachautoren,
  • methodisch didaktische Konzeption und Mediengestaltung,
  • Qualitätssicherung durch Reviews von Fachkräften aus der Schule,
  • Schnelligkeit, stetige Weiterentwicklung und Pflege,
  • Priorisierung digitaler Lernfelder gemäß Ziel der Sicherstellung flächendeckender Vielfalt beruflicher Bildung in ländlichen Räumen.

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